Die Sache mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und v.a. Bedürfniserfüllung in Beziehungen. Was will ich, was nicht, was wollen wir und wie machen wir das wenn wir unterschiedliche Strategien zur Bedürfniserfüllung haben?
Erst einmal kann es hilfreich sein zu unterscheiden was die unterschiedlichen Begriffe bedeuten.
Gefühle kennen wir alle seit wir kleine Kinder sind, denn Kinder haben den ganzen Tag ständig Gefühle. Hierbei gibt es primäre und sekundäre Gefühle. Erstere sind angeboren und liegen den sekundären Gefühlen zugrunde z.B. Angst, Wut, Trauer, Freude. Sekundäre Gefühle entstehen durch Erfahrungen und lassen sich einem der primären Gefühle zu ordnen wie Eifersucht, die manchmal aus Angst oder Wut resultieren kann. Viele Menschen können nicht immer differenzieren, was wir da genau fühlen. Das liegt an unserer Sozialisation, denn wir werden eher daraufhin trainiert zu funktionieren und nicht gefühlsorientiert zu denken und in uns hinein zu spüren. (Stichtwort Achtsamkeit und Selbstfürsorge). V.a. Mädchen werden eher daraufhin sozialisiert ihre Bedürfnisse zurück zustellen, während Jungs lernen ihre Bedürfnisse durchzusetzen, jedoch nicht in sich hinein zu hören, welche Gefühle da sind.
Es ist also ganz normal, wenn uns Gefühle nicht immer sofort klar sind, ein hilfreiches Tool dazu hat erklärungsnot aufgestellt, das Gefühlsrad.
Bedürfnisse sind noch eine Runde komplexer als Gefühle, sie sagen uns was wir grundsätzlich brauchen. Wir erleben dann einen Mangel den wir versuchen zu beseitigen oder zu reduzieren. Alle Menschen habe von Geburt an Bedürfnisse. Maslow hat dazu eine Bedürfnispyramide aufgestellt, um zu zeigen welche Bedürfnisse Menschen haben. Mit zunehmendem Alter und Lebenssituation verändern sich diese Bedürfnisse. Zu Beginn unseres Lebens stehen v.a. die Bedürfnisse Sicherheit und physiologische Versorgung im Vordergrund, mit zunehmendem Alter wird Autonomie und Selbstverwirklichung immer wichtiger.
Je jünger wir sind desto mehr sind wir darauf angewiesen, dass andere Menschen, vornehmlich unsere Bezugspersonen, unsere Bedürfnisse erfüllen, je älter wir werden je mehr können wir selbst für uns sorgen. Nicht alle Erwachsenen haben in ihrer Kindheit eine ausreichende Erfüllung ihrer Bedürfnisse erlebt, was Auswirkungen auf das Erwachsein-Sein haben kann. Manchmal müssen wir Bedürfnisse aufschieben, da die Situation keine direkte Erfüllung erlaubt, dass nennt man dann Frustrationstoleranz. Diese ist wichtig, jedoch verschwinden Bedürfnisse nicht, sie können nur für wichtigere Entscheidungen zeitweise aufgeschoben werden. Quelle
Jedes Bedürfnis wiederum kann durch unterschiedliche Strategien erfüllt werden, sogenannte Bedürfniserfüllungsstrategien. Nehmen wir an Person A hat gerade das Bedürfnis und einen erlebten Mangel nach sozialem Kontakt, so kann dieser Kontakt je nach Präferenz durch Treffen mit Freunden, die Beziehungsperson, Familie oder ein Telefonat gedeckt werden. Die Strategien die wir benutzen, haben wir durch unsere Erfahrung gelernt und sind dabei manchmal nicht so flexibel, dabei gibt es so viele Strategien wie Gehirne. Sich selbst für verschiedene Bedürfnisse unterschiedliche Strategien zurecht zu legen, kann hilfreich sein.
Für manche Bedürfnisse wie Hunger oder Durst können wir selbst sehr autonom sorgen, für andere Bedürfnisse benötigen wir andere Menschen als Unterstützung oder sie sind selbst das Bedürfnis.
In Beziehungen
Gehen wir mit Menschen in Beziehung, egal ob Freundschaften oder Partnerschaften, so müssen wir uns nicht nur mit unseren eigenen Bedürfnissen, sondern auch mit denen unseres Gegenübers, den Erwartungen an die Beziehungsbedürfnisse auseinandersetzen und mögliche Konflikte aushalten. Der Konflikt entsteht dann, wenn zwei oder mehrerer Bedürfnisse sich gegenüber stehen. In der Beratungspraxis erlebe ich nicht selten das die Beziehungspersonen eigentlich das selbe Bedürfnis haben z.B. Nähe oder Wunsch nach Sex, jedoch die Erfüllungsstrategien unterschiedlich sind. D.h. also das unterschiedliche oder gleiche Bedürfnis eher selten das Problem sind, sondern die fehlende Kommunikation und Strategie der Erfüllung. Jedes Bedürfnis und Gefühl ist grundsätzlich in Ordnung, sie lassen sich auch nicht weg diskutieren oder argumentieren. Bedürfnisse sind Grundprogramme unserer Psyche.
Sie sind da. Weg machen? Unmöglich! Umgang finden- JA!
Da wir durch unsere Sozialisation nicht gut darauf trainiert sind unsere Gefühle und Bedürfnisse zu spüren, zu erkennen, zu benennen und darüber zu sprechen, fällt uns das in Beziehungen schwer und aus einem Konflikt (der sich im Zusammensein nicht vermeiden lässt), entsteht dann ein Streit. In diesem Streit geht häufig der Grund, d.h. das Bedürfnis verloren und es kommt zu Verletzungen, da wir keinen konstruktiven Umgang und eine Art Verhandlung über unsere Bedürfnisse gelernt haben.
Und nun?
Für polyamor-lebende Menschen gibt es ein sehr hilfreiches Tool, dass Smorgasbord, ich verwende es allerdings auch für monogam-lebende Personen, da es grundsätzlich dabei helfen kann herauszufinden, was wir in Beziehungen wollen. Es dient v.a. als Gesprächsgrundlage aber auch um herauszufinden was einem selbst in Beziehungen wichtig ist. Das Tool wurde 2016 von Lyrica Lawrence und Heather Orr im Bereich Beziehungsanarchie entwickelt.
Ein Beispiel:
Mit diesem Tool kann es mehr Klarheit über die eigenen Bedürfnisse geben z.B. welche lovelanguage wichtig ist, wie die Ausprägungen der einzelnen Kategorien sich gestalten und so mit der Beziehungsperson ins Gespräch kommen.
Wichtig ist, dass man nicht davon ausgehen kann, dass das Gegenüber für die Bedürfniserfüllung verantwortlich ich, sondern das bleibt jedem selbst überlassen. Aber man kann um Hilfe bitten oder darüber sprechen, meist reicht es schon wenn das Bedürfnis gehört wurde, denn dann gehen wir in Verbindung und fühlen uns gesehen.
Ihr wollt Hilfe beim Anwenden, habt Konflikte oder seid euch den eigenen Bedürfnissen nicht bewusst?