Submission, Masochismus & der Feminismus

, ,

Bin ich Feministin? Ist BDSM als emanzipierte Frau* möglich, denkbar, machbar oder erlaubt? Selbstbestimmung oder auf Unterdrückung ausgerichtete Sozialisation?

Zu aller erst sollten ein paar Begriffe näher definiert werden.

Feminismus

„[…]bezeichnet a) eine Bewegung, die sich für politisch-praktische Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenschancen von Frauen einsetzt […], und b) theoretisch-wissenschaftliche Bemühungen, die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts als Barriere wissenschaftlicher (und praktischer) Erkenntnis wahrzunehmen und zu überwinden.“ Quelle

Intersektionaler Feminismus

„Eine bedeutsame Ausprägung des Feminismus ist der intersektionale Feminismus. Er benennt die zeitgleiche Mehrfachdiskriminierung marginalisierter Personen und Gruppen, hinsichtlich sozialer Kategorien wie Geschlecht, Hautfarbe bzw. Ethnizität, Alter, Klasse und Behinderung. Soziale Identitäten von Menschen überschneiden sich, beispielsweise kann eine lesbische Frau zugleich durch ihre Behinderung Diskriminierung erfahren. Möglicherweise ist sie als Alleinerziehende weiteren Benachteiligungen ausgesetzt. Diskriminierende Erfahrungen sammeln sich an und verstärken sich. […]

Die US-amerikanische Rechtsprofessorin Kimberlé Crenshaw hat 1989 als erste den Begriff Intersektionalität geprägt: „Wir neigen dazu, über Ungleichheit aufgrund von Rassifizierung zu sprechen, als sei die Ungleichheit getrennt aufgrund von Geschlecht, Gesellschaftsschicht, Sexualität oder Einwanderungsgeschichte.“ Der Hintergrund ist die Erfahrung schwarzer Frauen in den USA, dass sie in der feministischen Bewegung weißer Frauen nicht vorkamen, ihre Belange nicht gesehen wurden.

Der „White Feminism“ steht inzwischen in der Kritik: Weiße, mittelständische, heterosexuelle Frauen sollen sich nicht nur für ihre eigenen Rechte stark machen. Dies gilt auch für Deutschland, das gerade erst dabei ist, Vielfalt wahrzunehmen und sich auf vielen Ebenen für Diversität einzusetzen. Bedeutsam ist solidarisches Handeln und die Bereitschaft, eigene Privilegien zu überprüfen und abzugeben. Intersektionaler Feminismus enthält die Herausforderung und die Chance, Gerechtigkeit für alle zu bewirken.“ Quelle Was für mich die Inklusion von Transidentität einschließt als weiter marginalisierte Gruppierung.

Emanzipation

„Das Wort stammt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie „eigenständig werden“. Im Sprachgebrauch wird „Emanzipation“ meist in Bezug auf die Rechte der Frauen angewendet. Gefordert wird dann, dass Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik mehr Rechte erhalten. Die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, die im Grundgesetz steht, solle endlich verwirklicht werden.“ Quelle

BDSM & Abgrenzung zu Gewalt

BDSM bedeutet u.a. die einvernehmliche und konsensuelle Ausübung von, in der Allgemeingesellschaft als Gewalt ausgeübten, Praktiken wie z.B. Schläge. Dazu zählen aber noch deutlich mehr Praktiken die mit Unterwerfungs- und Dominanzspielen, Schmerz, Fesselungen etc. zu tun haben. Der Unterschied zur Gewalt ist, dass alle Beteiligten sich in Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte auf ein solches Spiel ohne Druck oder Repressionen eingelassen haben und eine Zustimmung erfolgt ist. Das Ziel ist gemeinsamer Lustgewinn durch diverse Praktiken und nicht die gewaltvolle Ausübung von Macht zur reinen Befriedigung einer Person, es sei denn dies wurde vorher konsensuell (Metakonsens) so vereinbart.

Eine Positionierung

Ich bin auf das Thema gestoßen da sich immer wieder, vornehmlich cis-Frauen in der Beratung an mich wenden, die eine größere Problematik damit haben sich selbst als emanzipiert zu beschreiben aber dennoch Unterwerfungsfantasien haben. Zusätzlich begegnet mir in den sozialen Medien eine Art des Feminismus, die man als Transfeindlich, binär und matriarchalisch bis männerfeindlich bezeichnen kann.

Klient*innen berichten mir dann davon, dass sie in Freundeskreisen daraufhin gewiesen werden, dass solche sexuellen Wünsche nur ein Sozialisierungsfehler durch das Patriachat seien, sie ihre gesellschaftlich untergeordnete Rolle nun auch in der Sexualität ausleben würden und BDSM in der Rolle als submissiver, masochistischer oder devoter Part nicht ihrem Wesen entspreche.

Hierzu ein kleiner Geschichtsausflug, die Emma eine der Ursprünge der feministischen Zeitungen von Alice Schwarzer, beschrieb zu Beginn der Magazingeschichte BDSM u.a. als folgendes (Quelle Wikipedia):

In beiden Zitaten wird Bezug genommen auf die Psychoanalyse nach Freud, die man grundsätzlich als Frauenkritisch wenn nicht sogar frauenfeindlich bezeichnen könnte, da Freud die Frau* als sehr triebgesteuertes Wesen betrachtete und die weibliche Lust in den Anfangstheorien keine Rolle spielte. Quelle

Beide Zitate sind heute überholt, man weiß inzwischen aus zahlreichen Studien, dass Menschen mit BDSM-Neigungen nicht wesentlich mehr schwierige Kindheitserfahrungen oder Traumata erlebt haben, als Menschen ohne diese Neigung. Die Verknüpfung von sexueller Lust an BDSM mit Verletzungen und Traumata ist falsch und zeugt nicht von der Möglichkeit, dass Frau* selbst bestimmt & konsensuell Lust an diesen Praktiken haben könnte.

Die Annahme im zweiten Zitat, dass Frauen* durch Sozialisation und Erziehung, dass Ihnen angetane Leid in sich aufgenommen haben und sexuelle Lust an BDSM empfinden, um sich dadurch Macht zurück zu holen, mag vielleicht auf einige Menschen zutreffen ist aber keine generalisierte Aussage.

Das was aber durch solche Herleitungen passiert ist, dass Frauen* selbst welche die sich heute als emanzipiert beschreiben, sich schämen, Ängste haben oder ihre sexuellen Fantasien unterdrücken, weil eben unter manchen Feministinnen solche Theorien kursieren. Und wer würde sich heute als Frau* nicht mehr als Feministin oder emanzipiert beschreiben wollen?

Am Ende ist es dann nicht besser als das Patriachat, dass die Lust und Sexualität der Frau* bestimmten will, da so nun Frauen* selbst glauben zu wissen welche sexuellen Vorlieben eine Frau* haben sollte. Denn wer BDSM Neigungen als etwas Krankhaftes oder zwanghaft anerzogenes beschreibt, der spricht der Frau* ihre Selbstbestimmung über die lustvolle Ausübung ihrer Sexualität ab, egal in welcher Art sie diese ausüben möchte.

Natürlich stimme ich zu, dass manche Neigungen auf eine selbstzerstörerische Weise genutzt werden können, aber dann liegt das Problem nicht in der Sexualität, sondern einer vorher bestanden psychischen Erkrankung die über Sexualität als eine Art Selbstverletzung genutzt wird. Das hat aber nicht immer etwas mit dem Patriachat zu tun.

In der Vergangenheit habe ich hierzu einen Workshop konzipiert, sollte daran Interesse bestehen gerne melden.