*Triggerwarnung: Thematisierung von Gewaltfantasien*
Die meisten von uns werden die mentale Repräsentanz von Erinnerungen, Wünschen und Vorstellungen kennen, sogenannte Fantasien. Wir fantasieren darüber, wie der nächste Urlaub aussehen könnte, wie das Date abläuft oder wie wir eine andere Person romantisch verführen.
In vielen Fällen stimmt die Fantasie mit unseren Wünschen, Bedürfnissen und unserem Verhalten überein. Sie ist sozusagen ich-synton, d.h. wir sind damit im Einklang. In anderen Fällen wissen wir womöglich das unsere Fantasie, wie die perfekte Hochzeit aussehen soll, nicht realisierbar ist, weil uns z.B. finanzielle Mittel dafür fehlen, und können das akzeptieren bzw. für eine Realisierung sorgen.
Sexuelle Fantasien sind manchmal, allein durch den sexuellen Inhalt, tabuisiert, sorgen für Scham- oder Schulgefühle, oder aber bleiben nur in unserem Kopf, weil sie real ausgelebt zu gefährlich wären. Menschen die in die Sexualtherapie kommen, haben öfters Fantasien, die negative Gefühle hervorrufen, gesellschaftlich tabuisiert sind oder nutzen exzessiv Pornographie als visuelle und ausgestaltete Fantasie.
Problematisch erlebte Fantasien können zum Beispiel sein:
- Die Vorstellung einer Vergewaltigung durch mehrere Personen
- Die Vorstellung von Sex mit Leichen oder Tieren
- Die Vorstellung als Mann* sich weiblich zu kleiden, gedemütigt und geführt zu werden
- Die Vorstellung einer Überwältigung oder Entführung
- etc.
Die Ausgestaltung der Fantasien ist der jeweiligen Person überlassen, sie können an Tabus rütteln, oder aber auch eher sanft, aber trotzdem als zu viel, drängend oder negativ erlebt werden.
Wichtig ist die Unterscheidung, handelt es sich um eine Fantasie die nur meiner Erregung dient, oder will ich diese tatsächlich in der Realität ausleben? Ebenso ist wichtig, zu unterscheiden ob es sich um wegschiebbare oder um sich aufdrängende Fantasien handelt. Zweiteres kann auf eine Traumatisierung, z.B. durch sogenannte Intrusionen oder Assoziationen hinweisen, wodurch eine Traumatherapie vorangestellt werden sollte.
Fantasien können aber auch eine wichtige Ressource und ein passender Hinweisgeber für unerfüllte Wünsche, zur Unterstützung der Erregung oder zur Erkundung der eigenen sexuellen Szenarien sein. Es kommt viel mehr darauf an, können wir die Fantasie nutzen, beeinflussen wir die Fantasie oder kontrolliert die Fantasie uns?
Fantasien, selbst die vermeintlich abnormsten, sind erst einmal normal, viele Menschen haben das und wir sind nicht unsere Gedanken. Gedanken, denn das sind Fantasien- verbildlichte Gedanken, kommen und gehen, wir dürfen Sie ziehen lassen oder auch für uns nutzbar machen.
Lohend kann es zudem sein innerhalb der Sexualtherapie zu schauen welche Funktion die Fantasie hat, und welche Bedürfnisse dahinter stecken. Nehmen wir folgenden Fall an:
Klientin
Eine junge Frau Mitte 20, die sich selbst als emanzipiert beschreibt, hat die Fantasie von mehreren Männern überwältigt, benutzt und vergewaltigt zu werden. In der Ausgestaltung der Fantasie wirkt das gewaltvoll und erschreckt die junge Frau zutiefst, wie sie sich so etwas vorstellen kann und dabei sexuell erregt wird, oder sich gar bei dem Gedanken erwischt, sich eine solche Situation in kontrolliertem Rahmen zu wünschen. Mit wem würde sie darüber sprechen? Wahrscheinlich erstmal mit niemanden, aufgrund des Tabubruches innerhalb unserer Gesellschaft.
Schauen wir uns das Ganze erstmal unmoralisch und ohne Bewertung der Fantasie an: Dann wäre es sinnvoll zu erfragen, was genau die Fantasie des Überwältigt-Werdens für eine Funktion hat? Es wäre denkbar, dass es hierbei um das Begehrt-werden, die Führung durch den oder mehrere Männer geht, oder der Gedanke des Loslassens und der Kontrollabgabe führt zu Lust und physischer Erregung. Hieraus lassen sich wiederum einige Bedürfnisse ableiten, z.B. die Verantwortung abzugeben und zu genießen etc..
Man könnte sich nun im Rahmen der Therapie anschauen, inwieweit sich einzelne Bedürfnisse (nicht Handlungen) in die Realität übertragen lassen, wie sich also das Gefühl erzeugen lässt, ohne in eine unsichere und gewalttägige Situation zu geraten. Oder aber es geht genau um das Thema der einvernehmlichen Gewalthandlungen, wo wir im Bereich BDSM wären. Vielleicht bleibt die Fantasie aber auch nur ein Gedanke der z.B. bei der Masturbation zu einem schnellen Höhepunkt führt und will gar nicht in die Realität umgesetzt werden. Zu sehen ist, die Wege und Hintergründe sind sehr individuell und unterschiedlich.
Wie kann sich die junge Frau also ihrer Fantasie bedienen, sie nutzbar machen und eine Akzeptanz darüber gewinnen, denn Wegmachen wird ein unerreichbares Ziel sind?